DKVF 2024 Abstract

Hinderliche und förderliche Faktoren der Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen durch ambulant pflegebedürftige Personen

Hintergrund: Die Mundgesundheit ist bei älteren Menschen mit Pflegebedarf oft beeinträchtigt im Vergleich zu gleichaltrigen Personen ohne Pflegebedarf. Ambulant versorgte Pflegebedürftige weisen häufig einen schlechteren Mundgesundheitszustand auf als Bewohner:innen stationärer Einrichtungen. Mit zunehmendem Unterstützungsbedarf und höherem Pflegegrad nimmt die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen ab oder wird sogar gänzlich eingestellt. Veränderungen im Inanspruchnahmeverhalten von zahnärztlichen Leistungen stehen in Verbindung mit sozialen, demografischen, regionalen und allgemeinen Gesundheitsfaktoren.

Zielsetzung: Das Forschungsvorhaben InSEMaP, gefördert durch den Innovationsfonds, untersucht mit einem multiperspektivischen Ansatz, welche Faktoren sich als förderlich oder hinderlich für die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen durch ältere ambulant pflegebedürftige Personen erweisen.

Methode: Mittels Mixed-Methods-Design wurden die mundgesundheitliche Versorgungssituation ambulant Pflegebedürftiger sowie damit assoziierte Faktoren der Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen untersucht. Es fanden eine Fragebogenerhebung von 5417 gesetzlich Versicherten (>60 Jahre mit Pflegegrad) sowie Fokusgruppen und Einzelinterviews mit den an der mundgesundheitlichen Versorgung beteiligten Akteursgruppen statt.

Ergebnisse: 1622 Versicherte beantworteten den Fragebogen, davon zwei Drittel (63,3%) mit Pflegegrad 2. Seit Eintritt der Pflegebedürftigkeit blieb bei 49,7% der Befragten die Inanspruchnahme stabil, 42,9% hingegen gingen seltener oder gar nicht mehr zum Zahnarzt. Die meist genannten Gründe dafür sind Bewegungsprobleme (45,4%), kein Bedarf (43,3%) und fehlende Unterstützung (23,4%).

In den Fokusgruppen und Einzelinterviews der Akteursgruppen zeigte sich, dass sowohl strukturelle (Vergütung, Aufwand, personelle Ressourcen, Transportoptionen) als auch individuelle Faktoren (Wissenslücken, geringe Priorisierung der Mundgesundheit bei Patient:innen, emotionale Aspekte, Mobilität) mit der Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen assoziiert sind. Alle Akteursgruppen berichteten davon, dass nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit hauptsächlich eine bedarfsorientierte Inanspruchnahme stattfindet. Schmerzen sowie defekte oder nicht sitzende Prothesen sind die häufigsten Gründe, die einen Zahnarztbesuch auslösen.

Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Abkehr von Kontrollterminen sowie Mobilitätseinschränkungen und fehlende Unterstützung des Versorgungsnetzwerks die Mundgesundheit ambulant Pflegebedürftiger beeinträchtigen. Es bedarf einer zielgerichteten Versorgungssteuerung und Sensibilisierung, vor allem der Pflegenden und Hausärzt:innen, um die Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit nicht abbrechen zu lassen.